Denkanstoß - Zum Wohle des Ganzen
evolve Heft 10: Ulrike Guérot ist Gründerin und Direktorin des European Democracy Lab in Berlin sowie Autorin von »Warum Europa eine Republik werden muss!«.
In der neuen Ausgabe von evolve "Europa sucht seine Seele - Warum Spiritualität heute wichtig ist" beschreibt sie die politische Dimension von Achtsamkeit:
Quelle Bild links: Magazin evolve
"Die heute vielleicht am weitesten verbreitete Form von Spiritualität ist die Achtsamkeits- oder Einsichtsmediation im Sinne der klassischen buddhistischen Vipassanã-Tradition. Würde man dieses Achtsamkeitsprinzip einmal auf das Handeln der EU anwenden, wäre schon viel gewonnen: die EU würde dann vielleicht ihre Landwirtschaftspolitik so reformieren, dass sie z. B. nicht Afrika mit Agrar-Produkten überschwemmt und damit lokale Märkte und Basare im Maghreb zerstört. Deren Händler-Söhne bevölkern dann die hässlichen Vorstädte von Paris, wo sie wieder keine Chance haben und sich im schlimmsten Fall radikalisieren und zu Terrorattentätern werden. Mit dem Prinzip der Achtsamkeit auch nicht vereinbar wären Waffenexporte z. B. nach Saudi-Arabien, eines der Länder, das die dschihadistischen Umtriebe des IS am offenkundigsten unterstützt.
Letztlich ist das buddhistische Achtsamkeitsprinzip - Spiritualität kennt keine kulturellen Grenzen - der Kant'sche Imperativ. Wenn in Europa schon der Begriff der Spiritualität in die esoterische Spinner-Ecke geschoben wird, dann könnte und sollte man sich an Kant erinnern, um zu sehen, dass Europa wohl derzeit einen ungebührend großen Platz in der Welt für sich beansprucht und immer wieder durch strukturelle Gewalt für sich geltend macht. Wie sich Europa entwickelt, wird auch davon abhängen, wie achtsam wir gegenüber den Ansprüchen und Entwicklungsmöglichkeiten anderer Weltgegenden sind."
Lesen Sie das Interview mit Ulrike Guérot in evolve 10.
Nun, wenn der Kant'sche Imperativ so grundlegend ist, lohnt es sich schon mal nachzulesen, zB. in Wikipedia:
Der kategorische Imperativ (im Folgenden kurz KI) lautet in seiner Grundform:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Er ist im System Immanuel Kants das grundlegende Prinzip der Ethik. Er gebietet allen endlichen vernunftbegabten Wesen und damit allen Menschen, ihre Handlungen darauf zu prüfen, ob sie einer für alle, jederzeit und ohne Ausnahme geltenden Maxime folgen und ob dabei das Recht aller betroffenen Menschen, auch als Selbstzweck, also nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt zu werden, berücksichtigt wird. Der Begriff wird in Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (GMS) vorgestellt und in der Kritik der praktischen Vernunft (KpV) ausführlich entwickelt.
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